cover

cover, 2008/09, Papier, Faden, Buntstift, 300*160*260 cm

“Gewänder und Kleidungsstücke spielten immer schon eine wichtige Rolle in der Kunst von Jutta Rohwerder. Gemalte Kleider, Kleider aus Bleiplatten. Gewänder als Träger von Erinnerungen.  Jetzt ein Gewand aus alten Gebetbuchblättern. Kleinformatige Seiten mit Text oder Liedern. Vergilbte Blätter, mehr oder weniger durchscheinend, mühevoll mit dünnem Faden aneinander genäht. Das Ganze zu einem Gebilde von beachtlicher Größe zusammengefügt (3 m Höhe, 3 m Breite), einem Mantel, einer Toga ähnlich, mit Ärmelöffnungen und Zwickeln, die es nach unten hin ausladend verbreitern. Und die kleinen farbigen Figuren, die zusätzlich aufs Papier geheftet sind? Sie erweisen sich in Nahsicht als aufgemalte skurrile Monster, fratzenartige Fledermausgesichter, wie man sie auf Flummis aus dem Spielzeugladen findet. Über das Gewand verteilt finden sich mit blaufarbenem Kinderstempel aufgedruckte Texte, Anfangszeilen von Schlagern aus den 60er Jahren: “Liebeskummer lohnt sich nicht”, “Tanze mit mir in den Morgen”, “Schöner fremder Mann”, “Sugar Baby”. Wie grauslich und gleichzeitig komisch erscheint so ein gefährlich aufgerissenes Fledermausmaul neben der lapidaren Textzeile “rote Lippen sind dem Himmel ja so nah”. Zwei Texte von Jutta Rohwerder sind ebenfalls auf der Außenseite des Mantels aufgebracht, poetische Texte über Kindheit und Erinnerungen: “Erste Landschaft”. So stehen also hier Erhabenheit, Schrecken und Lächerlichkeit unmittelbar nebeneinander, bedingen sich gegenseitig und verstärken untereinander ihre Wirkung. Dieses Schwingen der Empfindungen macht den Reiz dieser Arbeit aus. Jutta Rohwerder gelingt es mit ihrer Skulptur auf neue und originelle Weise, beim Betrachter solche vielfachen Wahrnehmungsebenen zusammenzuführen und nebenher auch den Begriff der “Papierarbeit” mit neuem Inhalt zu füllen.”   Dr. Ulrike Becks-Malorny, Bonn